Netzwerken in der Praxis – zum Lesezirkel
Gleichstellungs- und Kommunikationsexpertin Ulrike Schultz erzählt, wie ein guter Lesezirkel funktionieren und was er leisten kann.
Suchen Sie nach einem interessanten Frauennetzwerk? Gründen Sie doch eins. Wie das geht? Ganz einfach, hier ein Beispiel:
Ich bin Mitglied in einem Lesekränzchen! Klingt altmodisch, würde in unserem Fall auch besser literarisches Dutzend heißen. Mitglied klingt auch irreführend: Wir haben keine Satzung und keine Mitgliedsbeiträge.
Seit 15 Jahren treffen wir uns zu 12 Frauen, um schwerpunktmäßig aktuelle, aber auch klassische Literatur zu lesen. Die Idee wurde auf einem Bierdeckel in einer Kneipe nach einer Kulturveranstaltung in unserem Museum geboren. Uns motivierte, dass die Bonner Literaturwissenschaftlerin Doris Maurer am 22.1.2001 in der Veranstaltungsreihe „Frauen im Gespräch“ an der FernUniversität Hagen einen Vortrag über „Frauen und Salonkultur. Literarische Salons vom 17. – 20. Jahrhundert“ gehalten hatte.1
Auf dem Bierdeckel wurden zwölf Namen notiert. Ein Ziel war, Frauen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Bildung und Berufe zusammenzubringen, um die Diskussionen durch eine Vielzahl von Meinungen und Perspektiven anzureichern. Daher konnten wir alle unsere verschiedenen Kreise von Freundinnen nicht mit einbeziehen, was den Rahmen weit gesprengt hätte. Einige unserer Freundinnen waren darüber sehr enttäuscht. Daher sprechen wir außerhalb unseres Lesekreises bei Freundinnen wenig über unsere Lesegenüsse und -kontroversen, um die Wunde nicht immer wieder aufzureißen. Unsere Männer sind gelegentlich neidisch über unseren intensiven Austausch. Zur Kompensation gibt es jährlich ein gemeinsames literarisches Weihnachtstreffen und manchmal auch ein Sommerfest.
Als Prinzip war angedacht, jeweils am Montag nach den Schulferien, also viermal im Jahr eine Sitzung abzuhalten. Der Rhythmus stimmt noch, wir vereinbaren den Folgetermin aber auf Zuruf bei jedem Treffen, so wie die meisten Zeit haben. Wir treffen uns um 19.30 und zwar reihum. Eine ist Gastgeberin, sorgt für Wasser, Wein und Knabbereien. Da sich herausstellte, dass einige immer hungrig kamen, weil sie knappkantig von irgendwelchen Terminen eintrafen, gibt es inzwischen so viel, dass die Leserinnen satt werden können. Es gibt aber nichts aufwändig Vorbereitetes.
Eine ist Moderatorin und strukturiert das Gespräch, eine bereitet sich vor, ist die Referentin. Sie stellt die Biographie des Autors/der Autorin vor und bereitet zum Verständnis des Buches wichtige Hintergrundinformationen auf. Anschließend kann jede der Reihe nach berichten, wie sie das Buch gelesen hat, was es ihr bedeutet, was ihr daran gefällt oder nicht gefällt. Anschließend und dazwischen werfen die anderen ihre Meinungen ein. Die Moderatorin hat gelegentlich eine schwere Aufgabe, wenn die Wogen hoch her gehen.
Suchen Sie nach einem interessanten Frauennetzwerk? Gründen Sie doch eins. Wie das geht? Ganz einfach, hier ein Beispiel:
Ich bin Mitglied in einem Lesekränzchen! Klingt altmodisch, würde in unserem Fall auch besser literarisches Dutzend heißen. Mitglied klingt auch irreführend: Wir haben keine Satzung und keine Mitgliedsbeiträge.
Seit 15 Jahren treffen wir uns zu 12 Frauen, um schwerpunktmäßig aktuelle, aber auch klassische Literatur zu lesen. Die Idee wurde auf einem Bierdeckel in einer Kneipe nach einer Kulturveranstaltung in unserem Museum geboren. Uns motivierte, dass die Bonner Literaturwissenschaftlerin Doris Maurer am 22.1.2001 in der Veranstaltungsreihe „Frauen im Gespräch“ an der FernUniversität Hagen einen Vortrag über „Frauen und Salonkultur. Literarische Salons vom 17. – 20. Jahrhundert“ gehalten hatte.1
Auf dem Bierdeckel wurden zwölf Namen notiert. Ein Ziel war, Frauen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Bildung und Berufe zusammenzubringen, um die Diskussionen durch eine Vielzahl von Meinungen und Perspektiven anzureichern. Daher konnten wir alle unsere verschiedenen Kreise von Freundinnen nicht mit einbeziehen, was den Rahmen weit gesprengt hätte. Einige unserer Freundinnen waren darüber sehr enttäuscht. Daher sprechen wir außerhalb unseres Lesekreises bei Freundinnen wenig über unsere Lesegenüsse und -kontroversen, um die Wunde nicht immer wieder aufzureißen. Unsere Männer sind gelegentlich neidisch über unseren intensiven Austausch. Zur Kompensation gibt es jährlich ein gemeinsames literarisches Weihnachtstreffen und manchmal auch ein Sommerfest.
Als Prinzip war angedacht, jeweils am Montag nach den Schulferien, also viermal im Jahr eine Sitzung abzuhalten. Der Rhythmus stimmt noch, wir vereinbaren den Folgetermin aber auf Zuruf bei jedem Treffen, so wie die meisten Zeit haben. Wir treffen uns um 19.30 und zwar reihum. Eine ist Gastgeberin, sorgt für Wasser, Wein und Knabbereien. Da sich herausstellte, dass einige immer hungrig kamen, weil sie knappkantig von irgendwelchen Terminen eintrafen, gibt es inzwischen so viel, dass die Leserinnen satt werden können. Es gibt aber nichts aufwändig Vorbereitetes.
Eine ist Moderatorin und strukturiert das Gespräch, eine bereitet sich vor, ist die Referentin. Sie stellt die Biographie des Autors/der Autorin vor und bereitet zum Verständnis des Buches wichtige Hintergrundinformationen auf. Anschließend kann jede der Reihe nach berichten, wie sie das Buch gelesen hat, was es ihr bedeutet, was ihr daran gefällt oder nicht gefällt. Anschließend und dazwischen werfen die anderen ihre Meinungen ein. Die Moderatorin hat gelegentlich eine schwere Aufgabe, wenn die Wogen hoch her gehen.
Zu Beginn jedes Treffens wird die Lektüre für die kommende Sitzung festgelegt. In engagierten Diskussionen werden Vorschläge hinterfragt, verworfen, und schließlich wird mit Mehrheitsentscheidung ein Buch ausgewählt. Manche bevorzugen deutsche Autor/inn/en, andere sind an Literatur aus anderen Ländern und über andere Kulturen interessiert. Einige schätzen Experimentelles, der Mehrzahl ist die literarische Qualität wichtig. Häufig lesen wir ein Buch des jährlichen Nobelpreisträgers für Literatur, eines Autors oder einer Autorin, die oder der den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten hat oder ein Buch, das aktuell in den Medien besprochen wird. Wir haben aber auch Klassiker wie z.B. Goethes Wahlverwandtschaften auf die Tagesordnung gesetzt − ein Buch, das ich schon in der Schule nicht gemocht hatte. Unsere Geschmäcker sind äußerst unterschiedlich. Selten bewerten alle das Buch positiv. Entsprechend kontrovers sind die Diskussionen, zuletzt z. B. zu dem Buch „Kindeswohl“ von Ian McEwan. Ich habe mich durch einige Bücher, die mich eigentlich nicht interessierten, nahezu durchgequält, habe aber gelernt, den unterschiedlichen Blick auf Texte zu schätzen und wurde immer wieder durch spannende Gespräche belohnt.
Wir sind zwischen Mitte vierzig bis Mitte achtzig. Zusammen haben wir 24 Kinder und eine ganze Reihe von Enkeln. Der harte Kern von uns ist von Anfang an dabei, einige mussten ausscheiden, weil sie umgezogen sind, dafür wurden neue kooptiert. Bereichernd ist, dass seit einiger Zeit eine gebürtige Inderin und eine Chinesin mitlesen, die ganz andere kulturelle Perspektiven einbringen. Wir sind eine eingeschworene (Lese-)Gemeinschaft, zwar nicht alle mit allen in gleicher Weise befreundet, aber profitieren von den äußerst unterschiedlichen Kenntnissen, Lebenserfahrungen und zusätzlich auch Kontakten.
1Das Manuskript ist veröffentlicht in: Schultz, Ulrike/ der Rektor (2005) „Des Schicksals Fügung in die eignen Hände nehmen“..., Künstlerinnen, Schriftstellerinnen und Musikerinnen vom 17. – 21. Jhrdt. Hagen: FernUniversität, S. 125 – 150.
Sie möchten weiterlesen?
Jetzt Premium-Mitglied werden und uneingeschränkt auf alle Fachinhalte zugreifen!
Premium-Mitglied werden
- Zugriff auf alle Premium-Artikel der Seite!
- Zusätzlicher Fach-Newsletter für 0,00 €
Sie sind bereits Premium-Mitglied?
Login